das ist deutschland: ein von 6 neonazis als „nichtdeutscher“ identifizierter mann wird von diesen brutal angegriffen und wehrt sich. einer der angreifer erleidet dabei ein schwere kopfverletzung und der angegriffene muß sich deshalb vor gericht verantworten. am ende steht ein unglaubliches urteil – 7 monate haft wegen angeblichem „notwehrexzess“.
unter http://www.alptraum.be/ gibt es zu diesem unglaublichen fall einen kurzfilm zu sehen, in dem der betroffene tibor sturm die vorgänge schildert.
„Sind Gerechtigkeit und Recht in Deutschland dasselbe? Nicht mehr für Tibor Sturm. Der unter dem Namen Quietstorm bekannte fränkische Rapper sitzt seit Mitte Juli eine siebenmonatige Haftstrafe ab. Nach Ansicht des Richters hatte er sich des Straftatbestandes des Notwehrexzess schuldig gemacht, als er im Dezember 2005 von sechs Neonazis angegriffen worden war. Er hatte sich gewehrt und dabei einen der Angreifer schwer verletzt. Es war nicht seine Absicht gewesen. Er hatte lediglich um sein Leben gekämpft.
Von Christopher Egenberger
An einem kühlen und regnerischen Dezembertag 2005 war es geschehen. In der Nähe des ehemaligen Reichparteitaggeländes in Nürnberg. Tibor Sturm kam von einer Abschiedsparty für einen Freund, der aus Deutschland abgeschoben werden sollte. Auf einem spärlich beleuchteten Waldweg wurde er von sechs Neonazis angegriffen. Zunächst lief er davon, doch in dem Augenblick, an dem er stehen blieb, traf ihn schon die erste Faust im Gesicht. Eine derartige Situation kann kaum nachempfinden, wer so etwas noch nicht selbst erlebt hat. Tibor Sturm konnte kaum etwas sehen. Er wusste nicht, woher der nächste Schlag kommen würde. Er hörte lediglich die Atmung der Anderen, ihre Bewegungen und das rechte Kampfgeschrei.
Er fiel ins unbeleuchtete Gras neben dem Weg. Beim Aufstehen tastete er um sich und griff nach etwas, das er für einen Ast hielt. Damit schlug er einmal zu, mit vollem Schwung. Aber es war kein Ast, sondern ein Zaunpfahl. Und der traf einen der Angreifer unglücklich am Kopf. Der Kampf mit den restlichen Neonazis ging danach noch einige Minuten weiter. Tibor Sturm kam dabei zugute, dass er über elf Jahre Kampfsporterfahrung hatte. Die japanische Verteidigungstechnik Jiu Jitsukann rettete ihm sein Leben. Dennoch erlitt er schwere Verletzungen und wurde ins Krankenhaus gebracht.
Dort erst registrierte er, wie schwer er den Anderen getroffen hatte. Sein Angreifer erlitt einen Schädelbruch und eine Kleinhirnquetschung, liegt zunächst im Wachkoma. Später folgt die Rehabilitation, in der er erneut laufen und sprechen lernen muss. Eines Tages wird der rechtsextreme Täter wieder ein eigenständiges Leben führen können, aber derselbe wie vor dem Angriff wird er nicht mehr sein. „Teilweise zum Glück“, empfindet Tibor Sturm: „Hätte er es mal lieber gelassen, mich anzugreifen.“. Deshalb hat er sich auch nicht entschuldigt und wird dieses auch nicht tun.
Den Polizisten am Tatort war die Situation sofort klar. Das Outfit der Angreifer – Bomberjacke, Springerstiefel und Glatze – wies diese unzweifelhaft als Neonazis aus. Täter und Opfer waren klar zu erkennen. Warum Tibor Sturm dennoch zu sieben Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt wurde, diese Frage stellt er sich selbst fast täglich in seiner sechs Quadratmeter großen Zelle in der JVA Ingolstadt. Geschadet hat ihm sicherlich, dass er die Verhandlung selbst nicht ernst nahm. Er hatte sich schließlich nur verteidigt und rechnete daher nun mit einem sicheren Freispruch. Er hielt die Verhandlung für einen Witz. Während der Verhandlungen lachte er oftmals, beantwortete Fragen nicht. Tibor Sturm glaubt, dass dieses „Fehlverhalten“, neben einem unfähigen Rechtsbeistand, dazu beigetragen hat, dass er einen schweren Stand vor Gericht hatte.“ (mehr)